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Impuls zum Palmsonntag

    Jesus zieht in Jerusalem ein. Ist er auf dem Höhepunkt seiner Karriere? Viele Menschen jubeln Jesus zu. Sie preisen ihn als den erwarteten Messias, den Retter. Was erwarten Sie von ihm? Dass er, wie verheißen ist, die Selbständigkeit des Landes Israels wieder herstellt und die Römer aus dem Land vertreibt? Dass er als Wundertäter ihnen die Krankheiten und Sorgen wegnimmt?

    Wie Jesus auf die jubelnde Menge reagiert erfahren wir nicht. Wir wissen aber, was Jesus nicht tut:! Er frägt die Menschen, die ihn erwarten nicht, was sie von ihm wollen, so wie er das beim Blinden gemacht hatte (Markus 10,51). Was erwähnt ist, ist das Zeichen, das er setzt. Er reitet auf einem Esel. So reitet kein siegerwartender Feldherr. Ein Esel steht für Friedfertigkeit. Wer auf einem Esel reitet ist demütig – nicht hoch zu Ross. Ob die Menge dies wahrnimmt? Was erwartet Jesus von den Menschen? Seine Mission ist, die Menschen wieder für Gott und sein Reich zu öffnen. Die Verlorenen zu suchen und wieder in die Gemeinschaft mit den Menschen und mit Gott zu führen.

    Was erwarten wir heute von Christus? Erwarten wir, dass er die Legionen von Corona-Vieren vertreibt und unsere gewohnte Freiheit und Ordnung wiederherstellt? Erwarten wir eine Verbesserung unserer äußeren Bedingungen, dass unsere Vorstellungen von einem guten Leben in Erfüllung gehen? Oder können wir unsere Erwartungen zurücknehmen und Christus fragen, was er von uns erwartet? Bin ich bereit mich auf das einzulassen, wo Christus mich heute braucht, damit das Reich Gottes in dieser Welt mehr erfahrbar wird? 

    Was könnte Christus in dieser Krisenzeit, in der wir uns seit dem 24. Februar 2022 befinden, von uns erwarten? Vielleicht, dass wir unsere Augen und Herzen öffnen, um zu sehen wer unser Nächster ist. Wem wir Nächster werden können, so wie der Samariter im Gleichnis Jesu (Lukas 10,25).

    Eine Möglichkeit tiefer hinzuspüren, was Jesus von mir persönlich erwartet, ist das Jesus-Gebet, das die Ostkirchen „erfunden“ haben: Über meinen Atem verankere ich mich mit Christus und blende dadurch meine üblichen Gedankenschleifen aus. Dadurch können Impulse aus der Tiefe klarer erkennbar werden. Mit jedem Einatmen spricht man innerlich Jesus und mit jedem Ausatmen Christus. Zur Verstärkung kann man dabei zu seinem Herzen hin spüren. Was taucht in mir auf, wenn ich versuche mich immer tiefer auf Christus einzulassen?

    Jesus zieht am Palmsonntag in Jerusalem ein. Als die Leute Jesus in Jerusalem willkommen geheißen haben, war das also im Grunde eine Demonstration gegen den Gewaltherrscher. Das erinnert mich an die Ukraine. Präsident Putin bombt lieber das ganze Land zusammen als jemand anderem die Macht zu lassen. In vielen Ländern der Welt sieht das nicht viel anders aus. Wer die Macht hat, der gibt sie nicht ab – lieber tötet man seine Mitmenschen, gemäß dem Motto: „Auge um Auge – Zar um Zar“. Noch immer hat Putin seine Fans, wie auch Pilatus seine Leute hatte.

    Ein paar von denen, die mit Pilatus gut zusammengearbeitet haben, die konnten das „Geschrei um Jesus als Friedensfürst“ irgendwann nicht mehr hören. „Sag ihnen doch, dass sie aufhören sollen!“, haben sie Jesus aufgefordert. Doch Jesus hat bloß die Schultern gezuckt und geantwortet: „Wenn die da schweigen, dann werden die Steine schreien.“

    Wie recht hatte Jesu. Keine Woche später, da sind sie alle still. Er hängt am Kreuz. Pilatus hat gewonnen, so scheint es zu sein. Und: Haben da die Steine geschrien?

    Wenn ich mir heute die Bilder aus der Ukraine angucke, die immer wieder durch unsere Nachrichten gehen: Da schreien die Steine! Zerstörte Häuser. Straßen voller Schutt. Dazwischen irren verängstigte, verletzte Menschen herum. Unendlich viele Menschen sind umgekommen, wurden ermordet. Wo Bomben fielen, sind jetzt nur noch Trümmer und Grabsteine, Steine die schreien.

    Wie viel Hoffnung haben die Menschen damals in Jerusalem auf Jesus gesetzt! „Gelobt sei der Friedenskönig!“ Das war ihre Hoffnung. Ein König, der alles wieder gut macht. Ein gerechter Herrscher, kein grausamer und willkürlicher. Einer, der dafür sorgt, dass alle gut und in Frieden leben können.

    Jesus wollte gar nicht König sein. Aber er macht mir in Zeiten wie diesen Mut, mit seinem sanften Triumphzug unter Palmzweigen. Die Geschichten um Jesus sind nie verstummt. Und nicht die Steine erzählen davon: das tun wir Menschen. Wir erzählen davon, wie er ins Zentrum von Israel einzig – wir erzählen davon, wie er heute in mein Herz einziehen will. Ich bete, dass er mein Herz offen findet. Damit nicht wieder die Steine schreien müssen. Ich will offen für ihn sein, offen für die Menschen aus der Ukraine, offen für die Botschaft des Friedensfürsten Jesus. In meinem kleinen Bereich möchte ich mit dafür sorgen, dass es Menschen besser geht. 

    Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Heilige Woche. Möge uns Gott in dieser Zeit besonders stärken!

    Ihr

    Michael Paul, Pfarrer